Stefanie Hering im Dialog – mit Künstlern, Formen, Materialien und Disziplinen
Ihre mehr als dreißig Jahre währende Auseinandersetzung mit dem Werkstoff Porzellan führte Stefanie Hering nicht nur dazu, in ihren Geschirr-Collectionen, vor allem aber auch in ihren Kunst- Editionen, immer wieder die Grenzen dieses Materials auszuloten und zu überschreiten. Impulse, eigene Denk- und Stilmuster oder Herangehensweisen zu verlassen, zu verfeinern oder zu erweitern, verdankt die ausgebildete Keramikmeisterin darüber hinaus auch einer Reihe von Künstlern aus verwandten oder fremden Kunstdisziplinen. Ein oft jahrelanger Austausch – etwa mit der aus Hongkong stammenden Keramik-Künstlerin Pamela Mei Yee Leung, dem thailändischen Fotografen und Happening-Künstler Wasinburee Supanichvoraparch oder dem Berliner Fotografen Jens Bösenberg – führt zu spannenden und facettenreichen Kunstprojekten, in denen sich, neben den fremden Einflüssen, auch eine ganz neue Perspektive im künstlerischen Werk von Stefanie Hering finden lässt.
Fabelwesen mit Wurzeln in der östlichen wie auch in der westlichen Mythologie waren das Lebensthema der mit nur 44 Jahren verstorbenen, aus Hongkong stammenden Keramikkünstlerin Pamela Mei Yee Leung (1967 – 2011). Mit menschlichen Gestalten, die die Köpfe von Bären und Füchsen, Löwen oder Adlern trugen, schuf die in London lebende Mei Yee Leung, einen ganz eigenen Kosmos von Fabelwesen, in denen sie unter anderem ihre Ehe und ihre Krebserkrankung verarbeitete. Eine Auswahl dieser Plastiken hat Stefanie Hering 2005 als ausdrucksstarke Figuren in Biskuitporzellan umgesetzt. Sie können als Einzelobjekt oder Tischdekoration aufgestellt werden und haben eine noch weltentrücktere, zauber-haftere Aura als ihre Vorbilder aus glasiertem Ton.
Mit dem Foto- und Happening-Künstler Wasinburee Supanichvoraparch
verbindet Stefanie Hering nicht nur der unbestechliche Blick für
noch das kleinste Detail, sondern auch die Liebe zur Arbeit mit dem
Werkstoff Porzellan – und einen ganz besonderen Ton: den extrem
stabilen Ratchaburi Clay aus Supanichvoraparchs thailändischer
Heimatstadt. In den Töpfereiwerkstätten seiner Familie realisierte
Stefanie Hering, unterstützt von versierten Keramikkünstlern vor Ort,
einen langgehegten Traum: eine Serie von mannshohen Großgefäßen
aus Ton mit gestempelten und geritzten Oberflächenstrukturen und
traditionsreichen Dekorverfahren wie Engobemalerei oder den Einsatz
von Eisenoxid. In Europa wäre es schlicht unmöglich gewesen, Vasen
und Schalen in diesen Dimensionen zu brennen oder auch nur zu formen.
Foto-Künstler Supanichvoraparch begleitete den gesamten Werkprozess
mit seiner Kamera; die so entstandene eindrückliche Serie an Schwarz-
Weiß-Fotografien spiegelt die lokalen Fertigungstechniken aus dem
Manufaktur-Prozess und ergänzt Stefanie Herings vom Goethe Institut
Bangkok gefördertes Ausstellungsprojekt „Din Clay Ton – A Berlin-
Ratchaburi Dialogue“ auf eindrückliche Weise.
Die Ästhetik des Alltags steht im Blickpunkt des in Berlin lebenden Interior- und Still Life-Fotografen Jens Bösenberg. Mehrfach bereits setzte er Tafel-Collectionen von Hering Berlin in Szene. Die in ihrem großen Format, ihrer Formsprache und Kantigkeit einzigartigen Objekte der „Extraposition“-Serie von Stefanie Hering inspirierten Bösenberg zu einer Serie mit Polaroids. Den besonderen Reiz der „Extraposition“-Serie – die Vieldeutigkeit des Materials, das massiv wirkt wie Ton und zugleich fragil wie gefaltetes Papier – setzt er in der speziellen Technik seiner Aufnahmen fort und zeigt damit ein interdisziplinäres Kunstverständnis, wie es auch der experimentellen Herangehensweise von Stefanie Herings künstlerischer Arbeit entspricht. Die fotografischen Arbeiten werden zunächst im Showroom P98 Berlin ausgestellt und gehen danach auf Ausstellungstour durch ausgewählte Foto-Galerien.